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Psychotherapie ist in Österreich so gefragt wie nie. Denn psychische Erkrankungen wie Angst, Depression und somatoforme (nicht auf eine organische Krankheit zurückgehende) Störungen haben somatische Erkrankungen im Ranking der häufigsten Krankheitsbilder der Österreicher/innen abgelöst.
Im Jahr 2019 verursachten sie Kosten von rund 13,9 Milliarden Euro, was 4,3 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. Im Rahmen der COVID-19-Folgeerkrankungen wird eine aktuelle weitere Steigerung um rund 20 Prozent in ersten Erhebungen sichtbar. Doch wer soll diese Kosten tragen? Dieser Artikel thematisiert die wichtigsten Fragestellungen rund um Psychotherapie, den damit verbundenen Kosten, Zuschüssen und Kapazitäten.
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Psychotherapie im Überblick
Psychotherapie ist ein eigenständiges, wissenschaftlich fundiertes Heilverfahren. Ihr Ziel ist die Unterstützung in der Heilung oder Linderung von seelischem Leid. Sie kann aber auch in Lebenskrisen stabilisierend wirken, sowie die persönliche Entwicklung und Gesundheit fördern. Dabei umfasst die Behandlung nicht nur psychische Störungen, sondern auch körperliche Beschwerden, die von der Psyche der Person beeinflusst werden.
Wer braucht Psychotherapie?
Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens psychisch belastende Zeiten erleben. Eine Psychotherapie ist in der Regel dann notwendig, wenn die eigenen Gedanken, Gefühle oder das eigene Verhalten die Lebensqualität negativ beeinträchtigen. Bei Ängsten, Paniken und belastenden Phobien, bei körperlichen Beschwerden ohne organische Ursache, sowie bei Schuld, Hass- oder Schamgefühlen kann eine Psychotherapie Hilfe und Unterstützung bieten.
Aber auch bei Suchtproblemen, Traumata (Missbrauch, Unfall, Vergewaltigung etc.), oder bei allgemeinen Lebenskrisen und belastenden Lebenssituationen wie chronische Erkrankungen, Arbeitslosigkeit, Trennung oder Unfall, bei Problemen mit der eigenen Sexualität, sowie bei dem Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung kann diese Therapieform in Erwägung gezogen werden.
Welche Ziele verfolgt Psychotherapie?
Psychotherapie möchte den/-ie Patient/in in seiner/ihrer Entwicklung voranbringen und Möglichkeiten aufzeigen, die bestehenden Schwierigkeiten zu verstehen und Wege zu finden, wie damit umgegangen werden kann. Im Anschluss an die Therapie sollen Therapierte ein glücklicheres und sorgenfreieres Leben führen können. Dies ist in der Regel nur möglich, wenn die Therapie auf Freiwilligkeit basiert und der/-ie Patient/in grundsätzlich bereit ist, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen.
Was macht ein Psychotherapeut?
Ein/e Psychotherapeut/in begleitet seine Patienten/-innen ein Stück auf ihrem Lebensweg und unterstützt sie. Ihre Beziehung entwickelt sich insbesondere durch das vertrauensvolle Gespräch, bei dem der/-ie Therpeut/in zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Sowohl Psychotherapeuten/-innen, Psychiater/-innen als auch Psychologen/-innen können eine Psychotherapie durchführen. Der genaue Unterschied zwischen den Berufsfeldern liegt vor allem in ihren verschiedenen Ausbildungen und dem daraus erworbenem Wissen, sowie der Tatsache, dass ärztliche Psychotherapeuten/-innen auch Medikamente verschreiben dürfen. In der Praxis gibt es bei den Tätigkeitsbereichen viele Überschneidungen.
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Psychotherapie – Aktuelle Lage
Aktuell gibt es in Österreich über 10.415 Personen die entweder in freier Praxis oder in Einrichtungen des Gesundheitswesens durchschnittlich 12 Stunden pro Woche Psychotherapie anbieten. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass das vorhandene Angebot den Bedarf nicht deckt. Denn 2018 standen nur für 0,8 Prozent der Österreicher/innen vollfinanzierte Kassentherapieplätze zur Verfügung. Das sind laut dem österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) rund 70.000 Plätze. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jedoch eine Versorgung von drei bis fünf Prozent der Bevölkerung.
Wartezeiten auf einen Therapieplatz können zwischen sechs Wochen und neun Monate betragen. Offiziell stehen derzeit 10.000 Betroffene auf der Warteliste. Dennoch lohnt es sich, eigenständig bei den Krankenkassen und Sozialversicherungen, sowie den regionalen Vereinen nach freien Therapiestellen nachzuforschen: Ende August 2023 bot beispielsweise die Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung noch freie Therapieplätze in ihrem Einflussgebiet an.
Psychotherapie – Kosten
Psychotherapie ist derzeit größtenteils eine private Leistung, deren Kosten von Bundesland zu Bundesland variieren. Eine Einzeltherapiesitzung von 50 Minuten Dauer kostet in der Regel zwischen 50 und 130 Euro, eine 90-minütige Gruppensitzung zwischen 24 und 50 Euro. Dabei sind die Preise nicht vorgegeben, sondern werden von den Therapeuten/-innen selbst festgelegt; Abweichungen von dieser Honorarbandbreite sind möglich.
Kostenlose Psychotherapie gibt es vor allem in Institutionen, die entweder die öffentliche Hand mitfinanziert oder die vertraglich an die Krankenkassen gebunden sind. Normalerweise wird jedoch ein geringer Selbstbehalt verlangt. Solche Einrichtungen sind beispielsweise der psychosoziale und der schulpsychologische Dienst, oder Frauen-, Familien-, Erziehungs- sowie Studentenberatungsstellen. Hinzu kommen circa 4.500 Psychotherapeuten/-innen, die im Ausbildungskontext unter Supervision mit einem Stundensatz von 10 bis 40 Euro, aber ohne Rückerstattungsmöglichkeit für die Patienten/-innen arbeiten.
Psychotherapie – Kostenübernahme und -zuschuss
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für die Finanzierung der Kosten für die Psychotherapie. Viele Psychotherapeuten/-innen informieren auch auf ihren Homepages in welchem Ausmaß eine Kostenübernahme möglich ist.
Finanzierungswege der Psychotherapie
Die Kosten für Psychotherapie trägt entweder der/-ie Patient/in in voller Höhe ('Selbstzahler') oder ein Teil der Kosten wird von der Krankenkasse erstattet ('Teilfinanzierung'). Die gesamten Kosten tragen nur private Krankenkassen, oder wenn bei gesetzlichen Krankenkassen die Psychotherapie 'auf Krankenschein' erfolgt.
Voraussetzung für eine (Teil-)Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse ist immer eine krankheitswertige Störung. Krankenkassen übernehmen keine Kosten, wenn die Therapie als allgemeines Coaching genutzt wird, oder wenn es sich um Paar- bzw. Familientherapien handelt. Bei einer Teilübernahme der Kosten müssen außerdem folgende Dinge beachtet werden:
- Es können maximal 50 Therapiestunden auf einmal beantragt werden. Nach 50 Stunden muss ein neuer Antrag gestellt werden; eine Obergrenze gibt es nicht.
- Ein Therapeutenwechsel ist möglich, muss der Krankenkasse allerdings mitgeteilt werden.
- Der/-ie Therapeut/in muss eine der in Österreich anerkannten Psychotherapierichtungen anwenden.
- Für den Besuch ist keine ärztliche Zuweisung nötig. Allerdings müssen Patienten/-innen vor der zweiten Sitzung eine ärztliche Abklärung ihres Problems einholen, um sicherzustellen, dass keine organische Erkrankung der Grund ihrer Beschwerden ist.
Zuschüsse nach Krankenkasse
Nachfolgend eine Aufstellung der Zuschüsse der einzelnen Kassen gemäß deren Satzung (Stand Oktober 2023):
Krankenkasse | Therapieart | Dauer (ab) | Kostenzuschuss |
ÖGK | Einzelsitzung | 60 Minuten 30 Minuten | 31,50 EUR 18,00 EUR |
ÖGK | Gruppensitzung (pro Person) | 135 Minuten 90 Minuten 45 Minuten | 19,20 EUR 11,30 EUR 7,90 EUR |
BVAEB | Einzelsitzung | 50 Minuten 25 Minuten | 42,20 EUR 24,70 EUR |
BVAEB | Gruppensitzung (pro Person) | 90 Minuten 45 Minuten | 14,20 EUR 9,90 EUR |
SVS – BSVG | Einzelsitzung | 50 Minuten 25 Minuten | 45,00 EUR 26,26 EUR |
SVS – BSVG | Gruppensitzung (pro Person) | 90 Minuten 45 Minuten | 15,01 EUR 10,51 EUR |
SVS – GSVG | Einzelsitzung | 50 Minuten 25 Minuten | 45,00 EUR 26,26 EUR |
SVS – GSVG | Gruppensitzung (pro Person) | 90 Minuten 45 Minuten | 15,01 EUR 10,51 EUR |
Bundesländer und Regionen im Vergleich
Obwohl es keinen Gesamtvertrag für Psychotherapie gibt, ermöglichen regionale Vereinslösungen für eine gewisse Anzahl an Patienten/-innen die vollständige Übernahme der Psychotherapiekosten („Psychotherapie auf Krankenschein“). Je nach Bundesland gibt es hierfür unterschiedliche Lösungen und Modelle.
Folgende Institute bieten in Zusammenarbeit mit Gebietskrankenkassen und / oder Sozialversicherungsträgern „Psychotherapie auf Krankenschein“ an:
Region | Zuschuss |
Burgenland | Institut für Psychotherapie im ländlichen Raum |
Niederösterreich | Niederösterreichische Gesellschaft für Psychotherapeutische Versorgung Verein für ambulante Psychotherapie |
Oberösterreich | Oberösterreichische Gesellschaft für Psychotherapie |
Salzburg | Informationsstelle des Salzburger Landesverband für Psychotherapie |
Steiermark | Netzwerk Psychotherapie Steiermark Verein für ambulante psychologische Psychotherapie |
Tirol | Tiroler Landesverband für Psychotherapie |
Wien | Verein für ambulante Psychotherapie Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung Psychotherapeutische Ambulanz der Sigmund-Freud-Universität Institut für Tiefenpsychologie |
Psychotherapie – Methoden und Ablauf
In Österreich sind zurzeit 23 psychotherapeutische Methoden gesetzlich anerkannt. Sie lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen:
- Tiefenpsychologisch-Psychodynamisch (z.B. Psychoanalyse, Daseinsanalyse)
- Humanistisch (z.B. Existenzanalyse und Logotherapie)
- Systemisch (z.B. Systemische Familientherapie)
- Verhaltenstherapeutisch (z.B. Verhaltenstherapie)
Eine Psychotherapie kann entweder stationär, ambulant oder teilstationär durchgeführt werden. Wie die Therapie gestaltet ist, hängt von der Therapieform ab und ist speziell auf den/-ie Patienten/-in abgestimmt. Passende Therapeuten/-innen können entweder über die Krankenkasse oder über Eigenrecherche im Internet (beispielsweise über die Suchmaschine „Freie Therapieplätze“ des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie) vermittelt werden.
Grundsätzlich verläuft jede Therapie nach dem Schema Erstgespräch – Diagnose – Prognose. Der/-ie Patient/in beschreibt dafür dem/-r Therapeuten/-in seine/ihre Problematik. Er/sie gibt daraufhin eine Einschätzung, welche Diagnose vorliegt und wie die Therapie ablaufen könnte. Oft wird zu Beginn einer Behandlung ein konkretes Ziel festgelegt, worauf dann gemeinsam hingearbeitet wird. Im Idealfall ist die Therapie beendet, wenn das Therapieziel erreicht und das seelische Problem bewältigt wurde. Sollte das Therapieziel als unerreichbar erkannt werden, kann eine Therapie ebenfalls beendet werden.
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Psychotherapie – Ausblick
Im Rahmen der Strategie „Psychische Gesundheit fördern – Psychisch Erkrankte optimal versorgen“ der Trägerkonferenz wurde ein Ausbau der Psychotherapiekapazitäten in Österreich in Aussicht gestellt. Schwerpunkte sind unter Anderem die Schaffung von 20.000 zusätzlichen Psychotherapie-Plätzen auf Kassenleistung bis Ende 2023, die Verringerung von Wartezeiten und die Schaffung von zusätzlichen Stundenkontingenten für besonders schützenswerte Gruppen, wie Kinder oder Menschen mit Traumatisierungen.
Psychotherapie – Passende Jobs
Neugierig geworden auf Stellen in der Therapie? Passende Jobs findet man bei Medi-Karriere. Hier gibt es Jobs als Klinische/r Psychologe/-in, Jobs als Psychotherapeut/in und weitere Therapie-Stellen.
- Psychotherapie, https://www.krankenversichern.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Psychotherapie in Österreich, https://www.moment.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Rascherer Ausbau der Psychotherapie, https://www.kleinezeitung.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Versorgungswirksamkeit von Psychotherapie, https://link.springer.com/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Wer nicht warten kann, muss zahlen, https://www.moment.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Finanzierung von Psychotherapie in Österreich, https://www.beratung.help/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Was kostet Psychotherapie? https://www.therapie-info.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Welche psychotherapeutischen Methoden gibt es? https://www.therapie-info.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)
- Finanzierung einer Psychotherapie, https://www.psychotherapie-tirol.at/... (Abrufdatum: 02.10.2023)