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Am internationalen Tag der Pflege am 12. Mai wurde in der Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums eine umfangreiche Pflegereform angekündigt. Sie verspricht sowohl Verbesserungen für den Pflegeberuf, die Pflegeausbildung sowie für von Krankheit Betroffene und deren pflegende Angehörige.
Insgesamt betragen die Kosten für die zwanzig geplanten Maßnahmen circa 1 Milliarde Euro. Die Summe soll bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode investiert werden. Geplant ist das voraussichtliche Inkrafttreten der umfassenden Pflegereform für den 01. Jänner 2023.
Welche Maßnahmen und Veränderungen die Pflegereform beinhaltet, wird hier für alle 20 Eckpunkte kurz zusammengefasst. Ebenfalls beleuchtet sind die drei häufigsten Kritikpunkten an der Pflegereform.
Inhaltsverzeichnis
Kurzübersicht Pflegereform
Einleitend sind hier die wichtigsten acht der insgesamt zwanzig Maßnahmen der Pflegereform in einem kurzen Überblick stichpunktartig zusammengefasst. Darauf folgen alle Maßnahmen für den Pflegeberuf, Verbesserungen bei der Pflegeausbildung und Maßnahmen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige. Abschließend geht es um einen eventuellen Nachbesserungsbedarf und die gängigsten drei Kritikpunkte an der bis dato vorgestellten und geplanten Pflegereform.
Für Pflegekräfte und Auszubildende:
- monatlicher Gehaltsbonus für jede/n Mitarbeiter/in
- mindestens 600 Euro Vergütung pro Monat bzw. pro Praktikumsmonat für Auszubildende
- Umsteiger/innen auf und Wiedereinsteiger/innen in Pflegeberufe erhalten unter gewissen Voraussetzungen 1.400 Euro monatlich
- vereinfachende Maßnahmen bei Ausbildung, Zuwanderung und Kompetenzerweiterungen (s. unten)
Für Angehörige:
- Erhöhung Pflegekarenzgeld bei Betriebsvereinbarung oder Kollektivvertrag
- Anspruch auf finanzielle Unterstützung auf Ersatzpflege für pflegende Angehörige bereits nach drei Tagen
- finanzielle Bezuschussung von Pflegekursen für Angehörige
- Förderung der 24-Stunden-Betreuung
Maßnahmen der Pflegereform für den Pflegeberuf
Die Pflegereform soll vor allem Verbesserungen für den Pflegeberuf bringen. Eine der Maßnahmen für Pflegekräfte betrifft daher die Erhöhung des Gehalts: Für die Jahre 2022 und 2023 stellt der Bund hierfür insgesamt 520 Millionen Euro zur Verfügung. Die Auszahlung soll in Form eines monatlichen Gehaltsbonus erfolgen. Dieser Gehaltsbonus ist zunächst auf zwei Jahre befristet, bis andere Entlastungsmaßnahmen greifen.
Neben der finanziellen Besserstellung soll auch dem erhöhten Stress in Pflegeberufen Rechnung getragen werden. Eine zusätzliche Entlastungswoche soll beim Bund oder bei privaten Einrichtungen beschäftigten Pflegekräften ab dem 43. Lebensjahr Erholung bringen, unabhängig von der Länge der Betriebszugehörigkeit.
Auch die Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften soll durch unbürokratischeren Zugang zur Arbeitserlaubnis (sog. Rot-Weiß-Rot-Card) vereinfacht werden. Im Zusammenhang hiermit erleichtert die Bundesregierung auch die Anerkennung von ausländischen Ausbildungen.
Für Pflegeassistenten/-innen gibt es Kompetenzerweiterungen: Sie dürfen künftig z.B. auch Infusionen anschließen und Spritzen geben. Darüber hinaus wird das bisher für Anfang 2025 geplante Auslaufen der Tätigkeit von Pflegeassistenten/-innen in Krankenanstalten aufgehoben.
Bundeszuschlag für Beschäftigte
Der Pflegeberuf soll attraktiver werden. Dafür stellt der Bund im Rahmen der Pflegereform bis Ende 2023 insgesamt 520 Millionen Euro für die Gehaltserhöhungen zur Verfügung. Die Profiteure/-innen sind diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, Pflegeassistenten/-innen und Pflegefachassistenten/-innen. Die Auszahlung soll als monatlicher Gehaltsbonus erfolgen und von den Ländern und Sozialpartnern sichergestellt werden. Der geplante Gehaltsbonus wird zunächst auf zwei Jahre befristet, bis andere notwendige Entlastungsmaßnahmen greifen.
Entlastungswoche Pflege
Im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes erhalten Pflegeassistenten/-innen, Pflegefachassistenten/-innen und im gehobenen Dienst Tätige ab dem 43. Lebensjahr eine zusätzliche Entlastungswoche. Diese steht jedem/-r zu, unabhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit.
Nachtschwerarbeit
Alle Beschäftigten in der stationären Langzeitpflege erhalten künftig pro geleisteten Nachtdienst zwei Stunden Zeitguthaben zum Ausgleich.
Erleichterungen für ausländische Pflegekräfte (AuslBG/AuslBVO)
Zugezogene Pflegekräfte sollen künftig deutlich mehr Punkte für eine abgeschlossene Berufsausbildung erhalten. Hintergrund: Zugezogene Pflegekräfte, die in Berufen mit herrschendem Fachkräftemangel arbeiten wie z.B. der Pflege oder künftig arbeiten wollen (d.h. verbindliche Zusage eines Arbeitgebers), müssen mindestens 55 Punkte erzielen. Die Punkte setzen sich aus Qualifikation, Berufserfahrung, Alter sowie Deutsch- und Englischkenntnissen zusammen. Die neue Regelung soll so Erleichterungen beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte speziell für Pflegekräfte schaffen.
Verbesserungen der Pflegereform bei der Pflegeausbildung
Die Pflegereform soll außerdem für Verbesserungen in der Pflegeausbildung sorgen. Wer seine erste Ausbildung in einem Pflegeberuf absolviert, erhält künftig einen Ausbildungszuschuss von mindestens 600 Euro pro (Praktikums)Monat. Auch Umsteiger/innen, die aus einem anderen Beruf in die Pflege wechseln, und Wiedereinsteiger/innen sollen mehr Geld bekommen: Für sie gibt es künftig während einer vom AMS (Arbeitsmarktservice) geförderten Ausbildung ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro pro Monat.
Speziell für Jugendliche wird ein Modellversuch in ganz Österreich gestartet, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen: Die Pflegelehre wird demnach vier (Pflegefach) oder drei Jahre (Pflege) dauern und mit einem Lehrabschluss als Pflegefachassistent/in bzw. Pflegeassistent/in enden. Außerdem sollen berufsbildende mittlere und höhere Schulen ins Regelschulwesen übernommen werden.
Ausbildungsfonds
Wer eine Erstausbildung an einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule oder einer Fachhochschule in einem Pflegeberuf absolviert, erhält künftig einen Ausbildungszuschuss von mindestens 600 Euro pro Monat. Auszubildende in Sozialbetreuungsberufen und an berufsbildenden Schulen erhalten ebenfalls 600 Euro für ihre Praktikumszeiten. Der Bund stellt den Ländern zu diesem Zweck insgesamt 225 Millionen Euro über drei Jahre hinweg zur Verfügung, um zwei Drittel der so entstehenden Kosten abzudecken. Das letzte Drittel sollen gemäß der Pflegereform die Länder tragen.
Pflegestipendium
Auszubildende der Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz oder an einer Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege gem. § 44 ff GUK-Gesetz (Gesundheits- und Krankenpflege-Gesetz), das auf Grund der aktuell stattfindenden Ausbildungsreform ausläuft, erhalten ab dem 1. September 2023 ein Pflegestipendium. Allerdings nur dann, wenn die Ausbildung vom AMS gefördert wird. Sofern das der Fall ist, wird die Ausbildung mit mindestens 1.400 Euro pro Monat vergütet.
Entfristung Pflegeassistenz
Pflegeassistenten/-innen dürfen nach wie vor unbefristet in Krankenanstalten tätig sein. Das bisher zum 1.1.2025 geplante Auslaufen der Tätigkeit (wie in § 117 Abs. 23 GuKG geregelt) wird aufgrund des hohen Personalbedarfs ersatzlos gestrichen. Hintergrund: Geplant war ein Auslaufen der Pflegeassistenz zugunsten der höher qualifizierten Pflegefachkräfte. Da diese jedoch zahlenmäßig zu wenig Fachkräfte vorhanden sind, entfällt diese geplante Streichung des Pflegeassistenz-Berufsbilds.
Kompetenzerweiterungen
Pflegeassistenten/-innen bzw. Pflegefachassistenten/-innen können sich nach der Pflegereform über eine Erweiterung ihrer Kompetenzen freuen. Sie dürfen künftig:
- (laufende) Infusionen bei liegendem peripher-venösen Gefäßzugang ab- und anschließen (Ausnahmen: Zytostatika und Transfusionen mit Vollblut und/oder Blutbestandteilen)
- Infusions-Durchgängigkeiten aufrechterhalten
- Infusionen entfernen
- subkutane und peripher-venöse Verweilkanülen legen, wechseln und entfernen
- subkutane Injektionen verabreichen
- subkutane Infusionen verabreichen
Durch diese Kompetenzerweiterungen soll die geplante Streichung des Berufsbilds (s. vorheriger Punkt) aufgefangen werden. Statt die Pflegeassistenz (PA) abzuschaffen, erhalten die Fachkräfte nun diese erweiterten Befähigungen.
Lehre für Assistenzberufe in der Pflege
Um die Lehre für Assistenzberufe in der Pflege zu verbessern, ist ein Modellversuch im Rahmen der Pflegereform angedacht. Dadurch soll, neben einer schulischen Ausbildung im Bereich der Pflege, eine Pflegelehre in ganz Österreich etabliert werden. Die neue Lehrvariante dauert vier (Pflegefach) bzw. drei Jahre (Pflege) und mit einem Lehrabschluss als Pflegefachassistenz (PFA) oder Pflegeassistenz (PA) enden.
Mit dieser neuen Lehre soll Auszubildenden auch der Zugang zur Ausbildung zum/-r diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger/in an einer Fachhochschule möglich sein. Außerdem soll es im vierten Lehrjahr eine Lehrlingsentschädigung von etwa 1.500 Euro geben.
Überführung der Schulversuche zur PA/PFA ins Regelschulwesen
Ein weiterer Modellversuch wird aktuell bereits im Rahmen eines Schulversuchs an 15 Standorten durchgeführt: Dort werden an dreijährigen berufsbildenden mittleren Schulen sowie fünfjährigen berufsbildenden höheren Schulen bereits seit 2020/21 insgesamt rund 600 Schüler/innen ausgebildet. Da dieser Modellversuch erfolgreich war, läuft diese neue Ausbildungsform für angehende Pflegefachassistenzen (PFA) bzw. Pflegeassistenzen (PA) ab dem Schuljahr 2023/24 regulär an.
Erleichterungen bei Nostrifikation
Die Anerkennung von im Ausland erworbenen pflegeberuflichen Ausbildungen und Qualifikationen sollen nach der Pflegereform schneller gehen. Der dafür notwendige bürokratische Prozess soll im Vergleich zur bisherigen Praxis deutlich einfacher möglich sein. Dabei sollen die hohen Qualitätsstandards sichergestellt bleiben. Pflegekräften können somit schneller als Pflegeassistent/in oder Pflegefachassistent/in tätig sein.
Durchlässigkeit erhöhen
Die Pflegereform sieht einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben vor, um so die Durchlässigkeit in der Branche zu erhöhen. Pflegefachkräfte sollen daher künftig während ihrer Arbeitszeit eine weiterführende und/oder kompetenzerweiternde Ausbildung absolvieren dürfen. Diese Weiterbildungen waren bisher in der privaten Freizeit neben der Berufstätigkeit zu absolvieren, weshalb nur wenige aufgrund der Doppelbelastung diesen Schritt gingen. Die Weiterqualifizierung soll durch die neue Regelung attraktiver und niedrigschwelliger sein.
Maßnahmen der Pflegereform für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige
Die Pflegereform soll auch für Verbesserungen für Pflegebedürftige und deren pflegende Angehörige sorgen. Für sie soll z.B. die Möglichkeit einer 24-Stunden-Betreuung entstehen. Das soll die Attraktivität erhöhen, im nicht selbstständig zu pflegen. Details dazu sind aktuell noch in Planung.
Menschen mit schweren psychischen Behinderungen und Demenz können sich über eine Erhöhung ihres Pflegegelds freuen. In Folge dessen stehen 8.500 Betroffenen künftig 20 zusätzliche Stunden pro Monat für ihre Pflege und Betreuung zur Verfügung. Dann besteht außerdem ein insgesamt dreimonatiger Rechtsanspruch auf Pflegekarenz (bisher ein Monat). Die Voraussetzung hierfür ist, dass dieser Rechtsanspruch schriftlich in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist.
Außerdem wird die erhöhte Familienbeihilfe nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Damit erhalten rund 45.000 Personen 60 Euro mehr pro Monat. Die Bundesregierung führt ferner einen Angehörigenbonus von 1.500 Euro ab dem Jänner 2023 ein. Dieser soll speziell der Person zugutekommen, die den größten Teil der Pflege zuhause leistet und selbst- oder weiterversichert ist. Dies wird nach ersten Schätzungen rund 30.000 Menschen betreffen. 2024 gibt es weitere Neuerungen beim Angehörigenbonus!
Pflegekarenzgeld
Künftig wird ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz für einen Zeitraum von drei Monaten bestehen, sofern eine solche Vereinbarung in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen Berücksichtigung findet. Die Antragsfirst für das Pflegekarenzgeld verlängert sich um einen Monat, auch nach Beendigung der Maßnahme. Eine weitere Verlängerung der Frist auf bis zu zwei Monate ist dann möglich, wenn die Antragstellung bei noch laufender Pflegekarenz erfolgt.
Zuwendungen für die Ersatzpflege gemäß § 21a BPGG (Bundespflegegeldgesetz)
Pflegende Angehörige haben dank der Pflegereform künftig bereits nach drei Tagen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für Ersatzpflege. Dieser greift dann, wenn sie aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend bei der Pflege verhindert sind. Bisher war dies in der Regel nach sieben Tagen der Fall.
Pflegekurse für pflegende Angehörige
Vor der Pflegereform mussten pflegende Angehörige die Kosten für Pflegekurse teilweise oder ganz aus eigener Tasche bezahlen. Diese Zahlungspflicht entfällt nun, da hierfür künftig Zuwendungen zu den Kosten von Pflegekursen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen.
Ausweitung des Angehörigengesprächs
Das bisher drei Gesprächstermine umfassende Angehörigengespräch wird künftig auf fünf Termine erweitert. Es findet zwar vor allem in der Intensivmedizin sowie bei Organtransplantationen Anwendung, aber auch bei Pflegebedürftigen.
Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld
Bisher wurde erhöhte Familienbeihilfe anteilig (bis zu 60 Euro) auf das Pflegegeld angerechnet. Diese Anrechnung entfällt nach der Pflegereform: Insgesamt 45.000 Pflegegeldbeziehende stehen somit bis zu 60 Euro pro Monat mehr zur Verfügung.
Erschwerniszuschlag
Für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz wird der Erschwerniszuschlag von bisher 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht. Somit stehen 20 Stunden mehr pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung.
Angehörigenbonus
Pflegende Angehörige, die den größten Teil der Pflege zuhause leisten, erhalten im Zuge der Pflegereform eine jährliche Pflegegeld-Sonderzuwendung von 1.500 Euro. Als Voraussetzung müssen diese Angehörige selbst- oder weiterversichert sein und eine/n Pflegebedürftige/n mit Pflegestufe 4 oder höher betreuen.
Förderung der 24h-Betreuung
Die bisher unselbstständige Beschäftigung der 24-Stunden-Betreuung soll durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen an Attraktivität gewinnen. Die selbstständige 24-Stunden-Betreuung bleibt unberührt und soll auch nach der Pflegereform zusätzlich bestehen bleiben. Ein konkretes Modell wird derzeit gemeinsam mit Sozialpartnern/-innen und Stakeholdern/-innen erarbeitet. Die Umsetzung soll bereits im Herbst 2022 beginnen. Das greift der Pflegereform, die erst im Jänner 2023 startet, somit um bis zu drei Monate vor.
Nachbesserungsbedarf und Kritik an der Pflegereform
Vielen Fachleuten greifen die zwanzig Punkte der Pflegereform immer noch zu kurz. Sie seien nicht ausreichend durchgeplant oder hätten grundsätzliche politische Durchsetzungsprobleme. Viele hinterfragen auch die finanzielle Machbarkeit und bemängeln die Zeitplanung.
Das sind die drei Hauptkritikpunkte an der geplanten Pflegereform:
Kritikpunkt Reformlücken
Laut ÖVP-Klubobmann August Wöginger wolle man bis 2023 mit dem Maßnahmenpaket 76.000 zusätzliche Pflegekräfte gewinnen. Ob das realistisch klappt, ist, laut ihm, offen. Der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober spricht in diesem Kontext von einem deutlich höheren Personalbedarf. Er kalkuliert, dass man mindestens 100.000 Pflegekräfte brauchen werde. Damit sei die Planung der Pflegereform bereits defizitär.
Offengeblieben sei in der Ausgestaltung der Pflegereform auch, wie es mit der 24-Stunden-Betreuung weitergeht. Die Bundesregierung mache hier nur vage Änderungen, wonach die unselbstständige Beschäftigung in der Attraktivität steigen solle. Das selbstständige 24-Stunden-Modell – in dem tatsächlich die meisten der über 60.000 Betreuer/innen tätig sind – solle jedoch unberührt bleiben und weiterhin wie gehabt bestehen. Seit Jahren sprächen Interessenvertreter/innen hier von einer Scheinselbstständigkeit bei Betreuern/-innen, weil diese in der tatsächlichen Praxis in vielen Fällen stark von Vermittlungsagenturen abhängig seien. Ferner sei die mobile Pflege im Reformpaket überhaupt kein Thema.
Fehlender Weitblick?
Pflege-Experten/-innen kritisieren, dass in der Pflegereform völlig offen sei, wie es nach der 2024 endenden Legislaturperiode der Koalition mit der Pflegeplanung weitergeht. Alle Maßnahmen, die Geld kosten, seien daher viel zu kurz gedacht. Der größte Kostenpunkt – namentlich die halbe Milliarde für die Gehälter – sei z.B. mit folgender Einschränkung versehen: „Dieser Gehaltsbonus ist zunächst auf zwei Jahre befristet, bis andere notwendige Entlastungsmaßnahmen greifen.“
Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch begründet diese Prämisse damit, dass die Regierung schnell, effektiv und ohne aufwendige Verhandlungen rasch Geld ins System pumpen wolle. Ihm sei es daher ein persönliches Anliegen gewesen, das Pflegepaket schnellstmöglich zu realisieren.
Doch genau da greift die Kritik an der Pflegereform von Interessenvertretungen, Pflegeorganisationen und Opposition: Es sei von „ersten Schritten“ die Rede, auf die jedoch weitere folgen müssten. Gemeint ist damit primär der Ausbau mobiler Pflegedienstleistungen. In einem weiteren Schritt müssten per Personalschlüssel festgelegte Mindeststandards (sprich: die rechnerische Gesamtzahl der Patienten/-innen je Pflegekraft) verbessert werden. Gerade die akute Überlastung mit Patienten/-innen verleite Pflegekräfte nämlich dazu, den Beruf zu wechseln. Sinn ergebe die Verbesserung dieses aktuellen Betreuungsverhältnisses erst, wenn auch garantiert genug neue Pflegekräfte nachkämen, um die Versorgung sicherzustellen. Auch daran habe die Regierung nicht ausreichend gedacht, so Kritisierende.
Bund und Länder
Die Bundesregierung könne die Länder im Rahmen der Pflegereform zwar zu Änderungen verpflichten und Finanzzuschüsse anbieten. Für den tatsächlichen Ausbau des Pflegeangebots und die praktische Umsetzung der Regelungen seien aber ausschließlich die Länder zuständig. Eine Vereinheitlichung der Leistungen und Entwirrung der Finanzströme sei daher notwendig.
Der Regierung ist in diesem Zusammenhang mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe sich bei der Pflegereform erst einmal auf jene Maßnahmen fokussiert, die sie schnell umsetzen könne. Um die Pflegereform definitiv weiterzutreiben, müssten sich Bund und Länder jedoch beim in zwei Jahren anstehenden neuen Finanzausgleich zunächst über die nötigen Investitionen einigen. Das dürfte laut Pflegeexpertin Famira Mühlberger Probleme bei der praktischen Umsetzung und Geldmittelbereitstellung mit sich bringen.
Passende Stellenangebote
Für diejenigen, die noch nach dem idealen Job in der Pflegebranche suchen, gibt es auf Medi-Karriere eine facettenreiche Auswahl, z.B. in der Krankenpflege, Jobs für Pflegeassistenten/-innen sowie Pflegefachfrau-/Pflegefachmann-Stellenangebote.
1. Wohin die Pflegemilliarde geht: www.wienerzeitung.at (Abrufdatum: 11.07.2022).
2. Rauchregierung bringt größtes Pflegereformpaket: www.ots.at/presseaussendung (Abrufdatum: 11.07.2022).
3. Eckpunkte zur milliardenschweren Pflegereform: www.derstandard.at (Abrufdatum: 11.07.2022).
4. Regierung präsentiert umfassende Pflegereform: www.ief.at (Abrufdatum: 13.07.2022).
5. Fachkräfte in Mangelberufen: www.migration.gv.at (Abrufdatum: 13.07.2022).