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Die individuelle Persönlichkeit zeichnet sich durch das Bestehen unterschiedlicher Persönlichkeitszüge aus, die eine Person von einer anderen unterscheiden und die über Zeit und Situation beständig sind. Dabei spielen die sogenannten „Big Five“ (Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit) eine wesentliche Rolle, um die Muster charakteristischer Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen einer Person zu verstehen. Persönlichkeitsstörungen hingegen werden als Extremvarianten dieser Persönlichkeitszüge beschrieben, wobei ein bestimmtes Merkmal in der Regel dominant ist. Dieser Beitrag klärt über die vielfältigen Formen von Persönlichkeitsstörungen, deren Anzeichen und Entwicklung, sowie Hilfsangebote auf.
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Was sind Persönlichkeitsstörungen?
Unter Persönlichkeitsstörungen werden tief verwurzelte, anhaltende und weitgehend stabile Verhaltensmuster verstanden, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen manifestieren. Gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung zeigen sich deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in sozialen Beziehungen. Weiterhin ist wesentlich, dass durch diese auffälligen Persönlichkeitszüge das subjektive Befinden, die soziale Anpassung oder die berufliche Leistungsfähigkeit relevant eingeschränkt sind.
Tatsächlich unterscheiden sich Persönlichkeitsstörungen von anderen psychiatrischen Störungen in vielfältiger Weise. Oft fällt sogar die Abgrenzung zu noch ungestörtem und tolerierbaren Verhalten schwer. Bezogen auf die Allgemeinbevölkerung werden international Prävalenzraten zwischen 6 und 23 Prozent angegeben; für Österreich ist von etwa 9 Prozent auszugehen. Dabei sind Männer wie Frauen gleichermaßen betroffen, auch wenn einige Arten von Persönlichkeitsstörungen ein Geschlecht häufiger betreffen als das Andere.
Anzeichen und Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen
Es existiert bisher keine einheitliche Theorie zur Entstehung von Persönlichkeitsstörungen. Man nimmt an, dass vielfältige Faktoren, die in unterschiedlichen Lebensphasen einwirken, dabei eine Rolle spielen. Besondere Bedeutung kommt nach heutigem Wissenstand der Eltern-Kind-Beziehung, möglichen Extrembelastungen und traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend, sowie mangelnder sozialer Integration zu. Auch neurobiologische Ursachen, wie beispielsweise Veränderungen im präfrontalen Kortex, sowie genetische Veranlagungen werden diskutiert.
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Formen von Persönlichkeitsstörungen
Die einzelnen Persönlichkeitsstörungen haben eine sehr unterschiedliche Symptomatik. Allen gemeinsam ist aber, dass die bestehenden Persönlichkeitszüge unflexibel und wenig angepasst sind. Dabei unterteilt man die Persönlichkeitsstörungen je nach überwiegenden Merkmalen in drei Hauptgruppen (Cluster):
- Cluster A: Menschen mit diesen Störungen werden von Anderen häufig als „sonderbar“ oder „exzentrisch“ wahrgenommen. Diese Gruppe umfasst paranoide, schizoide und schizotypische Persönlichkeitsstörungen.
- Cluster B: Menschen mit diesen Störungen verhalten sich oft dramatisch, emotional, sprunghaft oder launisch. Die Gruppe umfasst die histrionische, narzisstische, antisoziale (dissoziale) und Borderline-Persönlichkeitsstörung.
- Cluster C: Menschen dieser Gruppe zeigen sich oft ängstlich und furchtsam. Diese Gruppe beinhaltet sowohl die vermeidend-selbstunsichere, die abhängige als auch die zwanghafte Persönlichkeitsstörung.
1) Paranoide Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung
Kennzeichnend sind eine durchgängige und ungerechtfertigte Neigung, sowie die Neigung in verschiedensten Situationen die Handlungen Anderer als absichtlich erniedrigend oder bedrohlich zu interpretieren.
Patienten mit paranoider Persönlichkeitsstörung misstrauen anderen Menschen und gehen davon aus, dass diese die Absicht haben, ihnen zu schaden oder sie zu täuschen, auch wenn sie keine oder keine ausreichende Begründung für diese Gefühle haben. Verschwörungsgedanken sind häufig. Die geschätzte mittlere Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung liegt zwischen 3,2 und 4,4 Prozent; Männer sind häufiger betroffen.
2) Schizoide Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung
Kennzeichnend sind ein in den verschiedensten Situationen auftretendes, durchgängiges Verhaltensmuster, das sich durch Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Beziehungen und eingeschränkter emotionaler Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit auszeichnet.
Schizoide Patienten sind scheu, reserviert und zurückgezogen, ihr Verhalten ist einzelgängerisch und gefühlskalt. Enge und vertrauensvolle Beziehungen fehlen, gesellschaftliche Regeln werden oft nicht anerkannt. Die geschätzte mittlere Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung liegt zwischen 1 und 3 Prozent, Männer und Menschen mit Schizophrenie in der Familienanamnese sind etwas häufiger betroffen.
3) Schizotypische Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung
Kennzeichnend sind ein psychisches Muster, das durch Eigentümlichkeiten in der Vorstellungswelt, der äußeren Erscheinung, des Verhaltens, sowie durch einen Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist.
Bei der schizotypischen Persönlichkeitsstörung weichen kognitive Denkmuster teilweise extrem von der Wirklichkeit ab (beispielsweise Beziehungsideen, paranoide Ideen, körperliche Illusionen, magisches Denken). Auffällig sind ein kalter und unnahbarer Affekt, seltsames und exzentrisches Verhalten, fehlende soziale Bezüge und sozialer Rückzug. Die geschätzte mittlere Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung liegt zwischen 0,6 und 3,9 Prozent, Männer sind häufiger betroffen.
4) Histrionische Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer histrionischen Persönlichkeitsstörung
Hierbei handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung mit durchgängigem Muster von übermäßiger Emotionalität, egozentrischem Verhalten und Verlangen nach Aufmerksamkeit (hysterische Persönlichkeitsstörung).
Bei dieser Persönlichkeitsstörung kommt es zu ausgeprägten dramatischen Verhaltensweisen und Gefühlsäußerungen. Dabei sind die Emotionen oft oberflächlich und leicht durch Trends oder andere Menschen beeinflussbar. In zwischenmenschlichen Beziehungen übertreiben sie leicht und spielen Rollen (wie „die Prinzessin“ oder „das Opfer“). Diesem Auftreten steht indes eine ausgeprägte Sensibilität und Verletzlichkeit gegenüber. Die geschätzte Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung beträgt ungefähr 2 Prozent; Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen.
5) Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung
Das Hauptmerkmal ist ein durchgängiges Muster von „Großartigkeit“ in Fantasie oder Verhalten, Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch Andere und Mangel an Einfühlungsvermögen.
Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben Schwierigkeiten, ihr Selbstwertgefühl zu regulieren und brauchen daher Lob und Zugehörigkeit zu besonderen Menschen oder Institutionen. Sie neigen außerdem dazu, andere Menschen abzuwerten, um ein Gefühl der Überlegenheit zu erhalten. Die geschätzte Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung beträgt ungefähr 1,6 Prozent; sie kommt häufiger bei Männern vor.
6) Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer antisozialen Persönlichkeitsstörung
Kennzeichnend ist ein Muster von verantwortungslosem und antisozialem Verhalten, das in der Kindheit oder frühen Adoleszenz beginnt und bis ins Erwachsenenalter fortdauert.
Die antisoziale (auch dissoziale) Persönlichkeitsstörung ist im Unterschied zu den übrigen Persönlichkeitsstörungen vorwiegend durch die Auswirkungen im sozialen Bereich definiert. Die Betroffenen können sich nicht an gesellschaftliche Normen anpassen, sie missachten Konsequenzen und die Rechte Anderer. In der Folge begehen sie wiederholt strafbare Handlungen ohne dabei Reue zu empfinden. Die Lebenszeitprävalenz dieser Persönlichkeitsstörung wird auf 2 bis 5 Prozent geschätzt; sie kommt bei Männern dreimal häufiger vor als bei Frauen.
7) Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung
Hierbei handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung mit wechselnder und launenhafter Stimmung und deutlicher Tendenz, Impulse ohne Rücksicht auf Konsequenzen auszuagieren.
Bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung kommt es zu Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Impulsen, die vor allem von Gefühlen und Trieben ausgelöst werden. Auch im affektiven Bereich treten Probleme auf; die Konfliktbereitschaft ist erhöht. Allgemein unterscheidet man bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung zwischen dem impulsiven Typ und dem Borderline-Typ.
Letzterer hat sich mittlerweile zur klinisch bedeutsamsten Persönlichkeitsstörung entwickelt. Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden neben Störungen der Impulskontrolle und ihren Gefühlen auch an neurotischen und psychotischen Symptomen. Sehr oft zeigen sie selbstschädigendes Verhalten. Die Suizidalität liegt bei ihnen etwa 50-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Die geschätzte mittlere Prävalenz der Borderlinestörung liegt zwischen 2,7 und 5,9 Prozent; ungefähr zwei Drittel aller Erkrankten sind weiblich.
8) Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung
Hauptmerkmal dieser Persönlichkeitsstörung ist anhaltende Unsicherheit, Besorgtheit, Angst vor negativer Beurteilung und Schüchternheit.
Patienten mit einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung sind übermäßig leicht verletzbar und leiden unter starken Minderwertigkeitsgefühlen. Die Angst vor Zurückweisung führt häufig zu Vermeidungsverhalten im Alltag. Die geschätzte mittlere Prävalenz der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung beträgt ungefähr 2 Prozent, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
9) Abhängige Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer abhängigen Persönlichkeitsstörung
Hauptmerkmale sind große Trennungsangst, Hilflosigkeit und Unterordnung.
Patienten mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung sind kaum in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie sehen sich selbst als inkompetent und minderwertig, und ordnen sich vollständig den Wünschen Anderer unter. Dabei fürchten sie ständig, verlassen zu werden. Die geschätzte Prävalenz dieser Persönlichkeitsstörung beträgt weniger als 1 Prozent; Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
10) Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Anzeichen einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung
Kennzeichnend sind eine stark ausgeprägte Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus, Kontrollbedürfnis und Starrheit sowohl im Denken als auch im Handeln.
Patienten mit einer zwanghaften (auch anankastischen) Persönlichkeitsstörung befinden sich typischerweise im Konflikt zwischen dem Streben nach Perfektion und den von ihnen selbst gesetzten übermäßig strengen und oft unerreichbaren Normen. Sie haben ein starkes Bedürfnis, jederzeit die Kontrolle zu behalten, weshalb sie dazu neigen, in ihren Unternehmungen allein zu sein und der Hilfe Anderer zu misstrauen. Die geschätzte Prävalenz der zwanghaften Persönlichkeitsstörung liegt zwischen 4,7 und 7,8 Prozent, Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen.
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Folgen von Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen können für Betroffene weitreichende Folgen haben. Neben Beeinträchtigungen der Selbstversorgung, der Berufstätigkeit oder des zwischenmenschlichen Miteinanders kann bei impulsivem Verhalten auch das Risiko für ungeplante Schwangerschaften, Verletzungen oder Tod durch Unfälle oder körperliche Auseinandersetzungen erhöht sein.
Eine zeitnahe Behandlungsaufnahme ist für die meisten Persönlichkeitsstörungen von zentraler Wichtigkeit, denn Betroffene zeigen gerade während Episoden mit ausgeprägter Krankheitssymptomatik oft wenig eigene Einsicht in die Notwendigkeit einer Behandlung.
Hilfsangebote bei Persönlichkeitsstörungen
In Österreich stehen folgende Anlaufstellen für die Diagnose und mögliche Behandlung von Persönlichkeitsstörungen zur Verfügung:
- Fachärzte für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin
- Psychotherapeuten
- Klinische Psychologen
- HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter)
Weiter gibt es österreichweit folgende Krisentelefonnummern:
- Telefonseelsorge: 142 (Notruf)
- Polizei: 133
- Rettung: 144
- Frauenhotline gegen Gewalt: 0800 222 555
- Männernotruf: 0800 246 247
- Männerinfo (Krisenberatung, auch gedolmetscht): 0800 400 777
- Ö3 Rotes Kreuz Kummernummer: 115 123, täglich von 16 bis 24 Uhr, Erstanlaufstelle für alle Menschen in persönlichen Notlagen
Für Kinder und Jugendliche:
- Rat auf Draht: 147
- Kindernotruf: 0800 567 567, 24 Stunden Telefonberatung in akuten Krisen und Konfliktsituationen
Passende Jobs
Passende Jobs in der Therapie findet man auf Medi-Karriere. Hier gibt es Jobs als Psychotherapeut, Jobs als Klinischer Psychologe und Jobs als Gesundheitspsychologe.
- Möller, Hans-Jürgen, Gerd Laux und Arno Deister (2015). Duale Reihe: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. 6th ed, Thieme Verlag.
- Lenzenweger MF, Lane MC, Loranger AW, et al (2007). DSM-IV personality disorders in the National Comorbidity Survey Replication. Biol. Psychiatry 62(6), 553-564.
- Zimmerman M, Chelminski I, Young D (2008). The frequency of personality disorders in psychiatric patients. Psychiatr Clin North Am 31(3), 405-220.
- Alegria AA, Blanco C, Petry NM, et al (2013). Sex differences in antisocial personality disorder: Results from the National Epidemiological Survey on Alcohol and Related Conditions. Personal Disord 4(3), 214-222.
- Persönlichkeitsstörungen, https://www.gesundheit.gv.at/... (Abrufdatum: 11.02.2025)
- Persönlichkeitsstörungen Arten, https://www.median-kliniken.de/... (Abrufdatum: 11.02.2025)
- Persönlichkeitsstörungen im Überblick, https://www.msdmanuals.com/... (Abrufdatum: 11.02.2025)
- Persönlichkeitsstörungen, https://flexikon.doccheck.com/... (Abrufdatum: 11.02.2025)
- Was sind Persönlichkeitsstörungen?, https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/... (Abrufdatum: 11.02.2025)
- Persönlichkeitsstörungen, https://www.psychiatrie.de/... (Abrufdatum: 11.02.2025)