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Das Iliosakralgelenk beschert vielen Menschen heftigen Schmerzen. Die dort ausgelöste ISG-Blockade gehört weltweit zu den kostenintensivsten Erkrankungen der Gesellschaft. Schätzungen zufolge sind Rückenschmerzen für jeden zweiten Besuch beim Orthopäden und für jeden vierten Besuch beim Hausarzt verantwortlich. Dennoch wurde lange Zeit die Bedeutung des Iliosakralgelenks (kurz: ISG) als potentielle Ursache lumbalgiformer Schmerzen unterschätzt. Der folgende Beitrag widmet sich den Symptomen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten einer ISG-Blockade und zeigt Übungen für Zuhause auf.
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ISG Blockade – Definition
Das Iliosakralgelenk ist das Verbindungsglied zwischen Wirbelsäule und Becken und ist einer der am stärksten belasteten Teile des knöchernen Skeletts. Es wird auf Höhe des 2. Sakralwirbels aus der Verbindung von Beckenknochen (Darmbein) und dem zur Wirbelsäule gehörenden Kreuzbein (Sakrum) gebildet. Dabei wird es von zahlreichen Bändern und Muskeln stabilisiert. Zudem spielt es eine wichtige Rolle für reibungslose Bewegungsabläufe, da es für die Kraftübertragung zwischen der Wirbelsäule und dem Becken, sowie den Beinen zuständig ist. Das heißt, es federt Aufprallbewegungen der Beine ab und leitet Druck beim Heben und Tragen vom Rumpf an die Beine weiter.
Die Bezeichnung „iliosakrales Gelenksyndrom“, oder kurz „ISG Blockade“, ist ein Sammelbegriff für sämtliche schmerzauslösenden, pathologischen Veränderungen in und um das Gelenk. In Österreich gelten bis zu 30 Prozent der chronischen Rückenschmerzen als vom ISG verursacht. Betroffen sind häufig Sportler, aber auch ältere Menschen und Schwangere können unter einer ISG-Blockade leiden.
ISG Blockade – Symptome
Bei einer ISG Blockade sind stechende oder drückende, meist einseitig auftretende Schmerzen im Bereich des unteren Rückens das wichtigste Symptom. In der Regel gehen diese Schmerzen aber nicht mit neurologischen Symptomen, wie Muskelschwäche oder Taubheitsgefühl einher. Die Beschwerden können plötzlich auftreten oder allmählich einsetzen. Ein Großteil der Betroffenen beschreibt den Schmerz als Dauerschmerz, welcher sich bei bestimmten Bewegungen und Belastungen, aber auch durch längeres Sitzen, ausgedehntes Stehen und Treppensteigen krisenhaft verstärkt.
ISG Blockade – Ursachen
Bezüglich der Ursachen einer ISG Blockade werden zahlreiche Modelle und Ansätze diskutiert. Diese lassen sich grob in vier verschiedene Kategorien einteilen: Anatomische, Mechanische, Entzündliche und Psychische Ursachen.
Anatomische Ursachen
Zu dieser Kategorie zählen pathologische Veränderungen innerhalb des ISG, die Bänderrisse und Verletzungen, Mikrofrakturen, Verletzungen des Weichteilgewebes und degenerative Veränderungen (wie zum Beispiel Arthrose) auslösen können. Eine nachlassende Elastizität des Bandapparates kann ebenfalls Ursache von Schmerzen sein.
Mechanische Ursachen
Auslöser einer mechanisch bedingten ISG Blockade können äußere Einwirkungen in Form von Druck-, Dreh-, und Scherkräften sein, wie sie im Rahmen von Eiskunstlaufen, Golf, Stepp-Aerobic oder Kegeln auftreten. Auch Über- und Fehlbelastungen, wie das Anheben von Gewichten in gebeugter Position, sowie eine Wirbelsäulenskoliose gehören in diese Kategorie.
Entzündliche Ursachen
Ebenso können entzündliche (Gelenk-)Veränderungen, Sehnenstörungen (Enthesiopathien) und Knochenentzündungen (Osteoarthritiden) die Ursache für Schmerzen im ISG sein. Einseitige Entzündungen sind meist auf bakterielle oder virale Infektionen zurückzuführen, während beidseitige Entzündungen eher auf rheumatischen Erkrankungen zurückzuführen sind. Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (zum Beispiel Morbus Crohn) kann es zu einer sekundären Entzündung des ISG kommen.
Psychische Ursachen
Psychische Belastungen, wie Stress oder Ängste, können nachweislich das Risiko für Rückenschmerzen erhöhen. Ob auch eine ISG Blockade auf seelische Ursachen zurückgeführt werden kann ist noch nicht abschließend geklärt. Man weiß allerdings, dass über das Zwischenhirn eine wirksame Beziehung zwischen ISG-Blockaden und depressiven Verstimmungen besteht.
Zudem ist die erste Reaktion des Bewegungsapparates auf Stress häufig eine asymmetrische Verspannung in der Nähe der Rücken- und Hüftmuskulatur. Dauert die belastende Situation an, kommt es darüber hinaus zu Verschlackungen des Bindegewebes und Verdickung der Faszien (dünne, sehnenartige Muskelhaut) im unteren Rückenbereich. Dies könnte die Entstehung einer ISG Blockade begünstigen.
Risikofaktoren
Verschiedene Risikofaktoren können die Entstehung einer ISG Blockade begünstigen. Dazu zählen:
- Unterschiedliche Beinlängen, die eine Fehlstellung der Hüfte auslösen
- Eine falsche Sitzhaltung und häufiges, langes Sitzen
- Eine Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose)
- Eine Bindegewebsschwäche oder ein muskuläres Ungleichgewicht
- Eine Schwangerschaft, da dabei Bänderstrukturen am Becken an Spannkraft verlieren
- Operationen, bei denen Wirbel oder das ISG versteift wurden
Ätiologische Sonderform: ISG Blockade während der Schwangerschaft
Zwischen 20 und 80 Prozent aller schwangeren Frauen klagen über Schmerzen im Becken- und Hüftbereich, die in der Regel spätestens zwischen der 18. und der 24. Schwangerschaftswoche auftreten. Neuere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Schwangerschaftshormon Relaxin für diese Entwicklung verantwortlich ist, da es die Elastizität des Bindegewebes erhöht und in Folge den Bandapparat, der das ISG stützen soll, schwächt.
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ISG Blockade – Diagnosestellung
Die Diagnosestellung einer ISG Blockade ist außergewöhnlich komplex. Denn die ISG Blockade tritt meist als symptomarme Erkrankung auf. Die betroffenen Patienten weisen abgesehen von bewegungs- und belastungsabhängigen Schmerzen keine weiteren Defizite auf. Dennoch bestehen gewisse praxisnahe Schmerzbesonderheiten, die sich bei vielen Patienten regelmäßig wiederholen. Im Liegen wird in der Regel kein Schmerz empfunden, allerdings ist das Drehen um die eigene Achse äußerst schmerzhaft. Längeres Sitzen oder Stehen vergrößert den Schmerz, wobei er im Sitzen besonders ausgeprägt ist.
Schmerzprovokationstests und Test-Infiltration
Die Diagnosestellung erfolgt mit Hilfe diverser klinischer Untersuchungen, den sogenannten Schmerzprovokationstests, die im Stehen, in Bauch- und in Rückenlage durchgeführt werden. Sind mindestens drei dieser Tests positiv, spricht dies für eine ISG Blockade. Allerdings können diese Tests auch bei anderen Erkrankungen, wie einem Bandscheibenvorfall oder einem Lumbado (“Hexenschuss”) positiv ausfallen. Zusätzlich können bildgebende Verfahren, wie Röntgen, CT und MRT eingesetzt werden.
Der derzeitige diagnostische Goldstandard ist die röntgen-kontrollierte intraartikuläre Test-Infiltration des ISG mit Lokalanästhetikum. Dabei werden gelenkversorgende Nervenäste gezielt mit Schmerzmitteln angespritzt. Tritt nach der Injektion eine deutliche Schmerzreduktion ein, sind diese Nerven als Schmerzverursacher identifiziert.
ISG Blockade – Behandlung
Ist eine ISG Blockade diagnostiziert, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Meist kann eine konservative Therapie, bestehend aus Dehnübungen für Hüfte, Gesäß und Beinmuskulatur, physiotherapeutischer Behandlung und entzündungshemmender Schmerzmedikamente die Leiden lindern. Bei ausbleibendem Erfolg kann über eine intraartikuläre Infiltrationstherapie nachgedacht werden, welche die schmerzführenden Nervenäste mittels gezielt eingesetzten Lokalanästhetika unterbrechen soll. Ein operativer Eingriff (beispielsweise zur Versteifung des ISG) ist aufgrund der schlechten Behandlungsergebnisse heute selten geworden.
ISG Blockade – Übungen zur Selbstdurchführung
Um den Heilungsprozess bei einer ISG Blockade zu unterstützen, sollten sich Patienten möglichst viel bewegen (beispielsweise Spazierengehen, Radfahren oder Schwimmen). Beim Schlafen ist die Rückenlage empfehlenswert. Zuhause können folgende Dehnungs- und Mobilisierungsübungen selbstständig zu Hause durchgeführt werden:
- Übung 1: Der Patient liegt in Seitenlage auf dem äußeren Rand der Bettkante, das untere Bein ist langgestreckt. Das oben liegende Bein wird nun angezogen, bis das Knie sich etwa auf Hüfthöhe befindet, Ober- und Unterschenkel bilden einen 90-Grad-Winkel. Nun wird der Fuß dieses Beins so weit es geht Richtung Boden gestreckt, bis die Fußspitze den Boden berührt. Die Übung wird mit dem anderen Bein wiederholt.
- Übung 2: Der Patient liegt flach auf dem Rücken, beide Arme liegen gerade an. Das rechte Bein wird so angewinkelt, dass der Fuß sich auf Höhe des linken Knies befindet. Nun wird die linke Hand auf das rechte Knie gelegt und zieht dieses nach links Richtung Boden. Der Oberkörper bleibt dabei am Boden abgelegt, der Kopf ist nach rechts gedreht. Die Übung wird auf der anderen Seite wiederholt.
- Übung 3: Der Patient kniet im Vierfüßlerstand und stellt die Fußballen auf dem Boden ab. Dann wechselt er vom Hohlkreuz (Blick geht zur Decke) in den Rundrücken (Blick geht nach vorne unten) und wieder zurück.
- Übung 4: Der Patient kniet im Vierfüßlerstand seitlich an der Kante einer Bank, so dass ein Bein in der Luft hängt. Der Fuß des losen Beins wird am Knöchel des anderen Beins über Kreuz gelegt, das Knie schwebt in der Luft. Nun wird das Becken dieser Seite nach oben gehoben und wieder fallen gelassen. Die Übung wird auf der anderen Seite wiederholt.
- Übung 5: Der Patient steht mit einem Bein auf einer Treppenstufe, das andere Bein hängt seitlich herab. Das lose Bein beginnt, in der Luft hin und herzupendeln. Befindet sich das baumelnde Bein auf dem höchsten Punkt hinten, wird gleichzeitig am Standbein das Becken mit der Hand vorwärts gedrückt. Wenn das Bein vorne ist, wird wieder losgelassen.
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ISG Blockade – Prognose
Die Krankheitsdauer bei einer ISG Blockade kann sehr unterschiedlich sein. Meist handelt es sich um fünf bis sieben Tage, um Symptomfreiheit zu erreichen. Bei körperlich sehr fordernden Berufen ist allerdings eine längere Krankschreibung sinnvoll. Unbehandelt kann eine Störung auch chronisch werden, weshalb eine ärztliche Begutachtung in jedem Fall anzuraten ist.
ISG Blockade – Prävention
Einige Vorsichtsmaßnahmen können dazu beitragen, einer ISG Blockade vorzubeugen. Bei sitzenden Tätigkeiten sollte beispielsweise auf eine gute Sitzhaltung geachtet und regelmäßig kurze Bewegungspausen eingelegt werden. Zu schweres Tragen und Aufheben von Lasten (gerade in der Schwangerschaft) sollte vermieden werden. Vorsorgeuntersuchungen zur Erkennung rheumatischer Erkrankungen sollten durchgeführt werden.
Passende Jobs
Passende Jobs in der Orthopädie und Physiotherapie finden sich bei Medi-Karriere. Hier gibt es Jobs als Physiotherapeut, Jobs als Orthopädietechniker und DGKP-Stellenangebote.
- ISG Blockade, https://www.gesundheit.gv.at/... (Abrufdatum: 27.02.2024)
- ISG Arthropathie: Ein unterdiagnostiziertes Problem, https://www.universimed.com/... (Abrufdatum: 27.02.2024)
- ISG Blockade: Schmerzen im Iliosakralgelenk, https://www.gesundheit.de/... (Abrufdatum: 27.02.2024)
- Diagnose und Therapie des „Iliosakralgelenk-Syndroms“, https://freidok.uni-freiburg.de/... (Abrufdatum: 27.02.2024)
- Kreuzdarmbeingelenk: Rückenschmerzen durch ISG-Syndrom, https://www.sn.at/... (Abrufdatum: 27.02.2024)