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Die meisten chirurgischen Eingriffe der heutigen Zeit wären ohne Narkose kaum vorstellbar. Aber auch immer mehr diagnostische Verfahren – wie beispielsweise die Darmspiegelung, die ein absolutes Standardinstrument zur Krebsfrüherkennung in der Bevölkerung geworden ist – benötigen heute Narkoseverfahren. Dabei sind die Anästhesieformen so unterschiedlich wie ihre Einsatzgebiete selbst. Dieser Beitrag informiert über die verschiedenen Anästhesieformen und klärt dabei deren Wirkung, Wirkstoffe, sowie Nutzen und Risiken.
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Anästhesieformen – Was ist eine Narkose?
Der Begriff „Narkose“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „betäuben“. Dabei wird der Körper (oder auch nur einzelne Körperpartien) mit Hilfe von Medikamenten in einen empfindungslosen Zustand versetzt, um chirurgische, diagnostische oder therapeutische Eingriffe schmerzfrei durchführen zu können. Das Bewusstsein kann, muss aber nicht zwingend, ausgeschaltet sein.
Anästhesieformen – Wie wird die richtige Narkoseform ermittelt?
Die Auswahl des Narkoseverfahrens steht am Ende der vollständigen Anamnese und Untersuchung des Patienten und erfolgt nach einer Risiko-Nutzen-Abwägung. Wichtige Kriterien sind die Art und Dauer des Eingriffs, das Alter und Vorerkrankungen des Patienten, sowie, dass der Eingriff die Notwendigkeit einer Muskelrelaxierung hervorruft.
Allgemeinanästhesie / Vollnarkose
Die Allgemeinanästhesie, im Volksmund auch „Vollnarkose“ genannt, ist ein medizinisches Verfahren zur zeitlich begrenzten Ausschaltung von Bewusstsein, Schmerzempfindung und vegetativer Reaktion im gesamten Körper. Die Patienten befinden sich in einer Art „Tiefschlaf“, können sich im Anschluss an das Erlebte also auch nicht erinnern.
Einsatzgebiet und Wirkung
Eine Vollnarkose wird meist eingesetzt, um chirurgische Eingriffe unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen und auf Komplikationen (wie starke Blutungen) adäquat reagieren zu können.
Diese Wirkstoffe werden verwendet
Bei einer Vollnarkose werden die Narkosestoffe intravenös zugeführt und / oder eingeatmet. Zusätzlich werden Mittel zur Muskelentspannung verabreicht. Eine mögliche Kombination wäre beispielsweise die Einleitung der Narkose mit einem Injektionsanästhetikum wie Propofol oder Etomidat, das dann im Verlauf des Eingriffs von Inhalationsanästhetika wie Sevofluran oder Desfluran abgelöst wird. Die Schmerzausschaltung erfolgt vor Allem über Opioide (wie Fentanyl), die Muskelrelaxation über Relaxanzien (wie Rocuronium). Diese Art der Narkoseführung hat den Vorteil, dass sich die Narkosetiefe gut steuern lässt.
Nutzen und Risiken
Eine Operation in Vollnarkose ist für den Patienten stressfrei, da die eingesetzten Narkotika sowohl das Schmerzempfinden ausschalten, als auch verhindern, dass der Patient sich an die durchlebte Behandlung erinnert. Für Angst- und Risikopatienten sowie Kinder spielt das eine besonders wichtige Rolle. Eine Vollnarkose ermöglicht zudem auch die Durchführung von größeren und länger andauernden Eingriffen.
Andererseits belastet eine Vollnarkose den Körper auch stärker als andere Anästhesiemethoden und birgt daher Risiken für Patienten mit Herzschwäche oder anderen schweren Erkrankungen. Auch kann es in seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen auf das Narkosemittel kommen. Spezielle Risiken und Nebenwirkungen einer Vollnarkose sind außerdem:
- Übelkeit und Erbrechen
- Kältezittern
- Kopfschmerz und Schwindel
- Schäden an Zähnen
- Heiserkeit, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Hustenreiz
- Verwirrtheit und Einschränkungen der Denkleistung
Postoperative Phase
Das Erwachen aus der Vollnarkose findet entweder im Aufwachraum oder auf der Intensivstation statt. Dort überwacht das Pflegepersonal die lebenswichtigen Körperfunktionen des Patienten wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Bewusstseinszustand und Flüssigkeitshaushalt. Außerdem wird darauf geachtet, die Schmerzen des Patienten mit Hilfe einer auf ihn speziell angepassten multimodalen Schmerztherapie so weit wie möglich zu lindern. Je nach eingesetztem Narkosemittel kann es schließlich bis zu 11 Stunden dauern, bis das Gefühl der Benommenheit nach der Narkose vergangen ist. Daher dürfen frisch Operierte am Tag des Eingriffs auch nicht Auto fahren.
Regionalanästhesie / Teilnarkose
Bei einer Regionalanästhesie wird nur ein Teilbereich des Körpers betäubt. Spontanatmung und Bewusstsein bleiben erhalten. Regionalanästhesieverfahren können sowohl alleine als auch in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie oder einer Analgosedierung eingesetzt werden. Daneben eignen sie sich auch zur Behandlung akuter oder chronischer Schmerzen. Das Lokalanästhetikum kann dabei entweder als Bolus (Single-Shot-Technik) oder kontinuierlich über einen Katheter („Schmerzkathether“) verabreicht werden. Man unterscheidet grundsätzlich die periphere Regionalanästhesie von der rückenmarksnahen Regionalanästhesie.
Periphere Regionalanästhesie
Die periphere Regionalanästhesie eignet sich gut für Eingriffe im Bereich der Schulter, der Arme und Beine. Seltener wird sie auch im Bereich der Brust eingesetzt. Man unterscheidet zwischen Leitungsblockade und Plexusblockade.
Bei der Leitungsblockade wird in der Regel das gesamte Innervationsgebiet eines einzelnen peripheren Nervs betäubt, zum Beispiel der Ischiasnerv für Eingriffe am Bein. Aber auch für Eingriffe im Bereich der Finger oder Zehengrundgelenke wird die Leitungsanästhesie angewandt. Die Betäubung tritt nach 5 bis 10 Minuten ein und hält zwischen 2 bis 3 Stunden an. Die Wirkung ist typischerweise auf einen Finger bzw. Zeh begrenzt.
Die Plexusblockade hingegen wird häufig für Eingriffe an der oberen Extremität angewandt. Mit dieser Methode können entweder ganze Nervengeflechte oder einzelne Nerven gezielt betäubt und die Schmerzempfindung in den dazugehörigen Körpergebieten ausgeschaltet werden. Zum Einsatz kommt sie bei Eingriffen an der Schulter oder am schulternahen Oberarm, im Bereich des Ellenbogengelenks, des Unterarms und der Hand, oder unterhalb des Ellenbogens. Nach ungefähr 15 bis 30 Minuten ist sie voll ausgeprägt, das Operationsgebiet ist dann empfindungslos und kann nicht bewegt werden. Die Wirkung hält bis zu mehreren Stunden an.
Rückenmarksnahe Regionalanästhesie
Die rückenmarksnahe Regionalanästhesie ist bei Eingriffen unterhalb des Bauchnabels möglich. Dazu gehören Operationen an den Beinen, im Becken, im Dammbereich und im Unterbauch. Hier wird auf Spinalanästhesie oder Epi- bzw. Periduralanästhesie gesetzt.
Bei der Spinalanästhesie werden die Wurzeln der Spinalnerven durch die Injektion des Narkosemittels direkt in das Nervenwasser des Rückenmarkskanals betäubt. Der Patient ist zwar wach, aber nicht mehr in der Lage, die betroffenen Körperpartien zu bewegen. Auch das Schmerzempfinden ist in den betroffenen Regionen ausgeschaltet. Diese Art von Narkose wird beispielsweise bei Hüft- bzw. Kniegelenksersatz, Arthroskopien im Bereich der unteren Extremität und Eingriffe an Prostata oder Blase angewandt.
Die Durchführung der Epidural- bzw. Periduralanästhesie ist ähnlich wie bei der Spinalanästhesie, die Wirkung der Narkosemittel setzt jedoch langsamer (nach 20 bis 45 Minuten) ein. Durch vorsichtige Gabe kleiner Medikamenteneinzeldosen wird die gewünschte Ausbreitung gesteuert. Ein klassisches Einsatzgebiet ist die Kaiserschnittentbindung. Dieses Narkoseverfahren ist auch sehr gut zur Schmerztherapie geeignet, weil es auch möglich ist, die Narkosemittel per Schmerzkathether zu injizieren.
Diese Wirkstoffe werden verwendet
Bei der Regionalanästhesie kommen je nach Anästhesieart Lokalanästhetika wie Ropivacain, Mepivacain, Bupivacain oder Lidocain zum Einsatz. Bei manchen Verfahren werden zusätzlich noch andere Medikamente (Opioide oder Kortison) verabreicht, um eine bessere Schmerzlinderung zu gewährleisten.
Nutzen und Risiken
Eine Regionalanästhesie belastet den Körper in der Regel weniger als eine Vollnarkose, weil weniger systemische Narkose- und Schmerzmittel eingesetzt werden. Zudem sind die Patienten deutlich schneller wieder mobil, die Verdauungsfunktionen erholen sich zügig und die Patienten können zeitnah wieder entlassen werden, weshalb sie für den Betrieb auch kostengünstiger ist. Nebenwirkungen wie Nervenschäden, Blutergüsse, allergische Reaktionen und Infektionen kommen selten vor und sind meist vorübergehend.
Postoperative Phase
Auch bei der Regionalanästhesie werden die Patienten im Aufwachraum überwacht. Dabei wird sichergestellt, dass sie weitgehend schmerzfrei, die Vitalfunktionen des Körpers intakt und Nahrungsaufnahme und Miktion unauffällig sind. Außerdem muss der Anästhesist darauf achten, dass keine Restblockaden von der Regionalanästhesie übrig geblieben sind.
Anästhesieformen mit lokaler Wirkung
Die Lokalanästhesie ist eine örtliche, kleinflächige Betäubung, die das Schmerzempfinden an einer bestimmten Körperstelle vorübergehend aufhebt, während Bewusstsein und Bewegungsfähigkeit erhalten bleiben. Dabei unterscheidet man zwischen der Oberflächenanästhesie, bei der ein Wirkstoff direkt auf die Haut bzw. Schleimhaut aufgetragen wird, und der Infiltrationsanästhesie, bei der ein Lokalanästhetikum unter die Haut oder in den Muskel gespritzt wird.
Einsatzgebiet und Wirkung
Eine Lokalanästhesie wird immer dann gewählt, wenn es sich um kleinere, wenig belastende Eingriffe in einem umschriebenen Körperbereich handelt. Hierzu zählen
- das Nähen von Schnittwunden oder das Entfernen von Muttermalen
- das Legen von Sonden oder Schläuchen wie zum Beispiel bei einer Magenspiegelung
- Zahnärztliche Eingriffe
- Chronische Schmerzen in Rücken oder Muskeln
- Vorbereitung einer Blutabnahme bei Kindern mithilfe eines Betäubungspflasters
Diese Medikamente / Wirkstoffe werden verwendet
Bei einer Lokalanästhesie kommen bevorzugt Lokalanästhetika vom Estertyp (wie Benzocain oder Procain) und vom Amidtyp (wie Lidocain oder Bupivacain) zum Einsatz. Bisweilen wird dem Lokalanästhetikum auch Adrenalin zugesetzt, um dessen Wirkung zu verstärken.
Nutzen und Risiken
Eine Lokalanästhesie ist eine kostengünstige und risikoarme Form der Narkose. Eine allergische Reaktion auf das Betäubungsmittel ist möglich, kommt aber kaum vor.
Postoperative Phase
Nach dem Eingriff ist der Patient ohne Erholungszeit wieder fit und darf Auto fahren. Die Sensibilität an der betroffenen Körperstelle kehrt binnen weniger Stunden zurück.
Anästhesieformen – Entwicklung und Prognose
Die Anästhesiologie umfasst heutzutage nicht nur das „Kerngeschäft“ der klassischen Narkose, sondern auch die Intensiv-, Notfall-, und Schmerzmedizin. Dementsprechend breit ist auch die Entwicklung verschiedener Anästhesieformen. Dabei wird sich der Anästhesist immer mehr zum „perioperativen Allrounder“ bei zunehmend verzahnten Aufgabengebieten. Auch die technische Entwicklung wird für die Anästhesie immer wichtiger. So kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz etwa neue Wege bei der Narkoseüberwachung öffnen.
Passende Jobs
Passende Jobs findet man auf Medi-Karriere. Hier gibt es Jobs als Anästhesietechnischer Assistent, Jobs als Operationstechnischer Assistent und Stellen für DGKP im Operationsbereich.
- Formen der Anästhesie, https://www.kh-herzjesu.at/... (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Schmerztherapie und Lokalanästhetika, https://www.thieme-connect.de/... (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Regionalanästhesie, https://www.gesundheit.gv.at/... (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Narkoseverfahren und Anästhesieformen, https://www.augusta-duesseldorf.de/... (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Welche Narkosearten gibt es?, https://www.helios-gesundheit.de/... (Abrufdatum: 28.10.2024)
- Die Zukunft der Anästhesiologie, https://www.ai-online.info/... (Abrufdatum: 28.10.2024)