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Einer Forschungsgruppe der MedUni Wien ist es gelungen, einen bis dato unbekannten Mechanismus der Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation aufzudecken. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden Anfang Juni 2024 in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Sie bieten die Basis, neue Behandlungskonzepte nach einer Transplantation zu entwickeln und künftig eine bessere Akzeptanz der Spenderorgane zu erzielen. Dieser Artikel erläutert den medizinischen Hintergrund zu Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation und fasst die wichtigsten Aussagen der Studie zusammen.
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Wie Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation entstehen
Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation werden ausgelöst, wenn das Immunsystem des Empfängerkörpers das Spenderorgan als nicht dem Körper zugehörig erkennt. Jeder menschliche Organismus besitzt eine eigene Zellsignatur, die durch seine Gene festgelegt ist. Um den Körper vor potenziell krankmachenden Erregern zu schützen und die Entartung von Zellen zu verhindern, überwacht das Lymphsystem, dessen Zellen zu den weißen Blutkörperchen gehören, ständig die Gewebe und Organe im Körper.
Findet es dabei eine unbekannte Zellsignatur, etwa an einem Spenderorgan, so greifen mehrere Abwehrmechanismen im Rahmen einer Costimulation ineinander und lösen eine schwere Entzündungsreaktion aus, die das Organ zerstört. Für diese Abstoßungsreaktion sind unter anderem die sogenannten T-Zellen des Lymphsystems und das entzündungsfördernde Protein Interleukin-6 verantwortlich. Letzteres katalysiert die Entzündungsreaktion unter anderem durch das Anlocken weiterer Abwehrzellen zum Ort der Abstoßung.
Auch wenn bei der Organtransplantation eine sorgfältige Spenderauswahl erfolgt und versucht wird, ein möglichst exakt passendes Organ zu finden, so liegt ausschließlich bei eineiigen Zwillingen eine identische Zusammensetzung der Moleküle auf den Oberflächen der Organe und Gewebe vor. Daher muss nach jeder Transplantation, außer im seltenen Fall eines genetischen Zwillings als Spender, das Immunsystem des Organempfängers zunächst durch eine initiale Unterdrückung der T-Zellen ausgebremst werden. Anschließend ist die lebenslange Einnahme von Medikamenten zur Unterdrückung der Immunantwort, sogenannter Immunsuppressiva, erforderlich, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern.
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Hintergrund der Studie
Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation gehören zu den gefürchtetsten und schwerwiegendsten Komplikationen, die nach einer derartigen Operation auftreten können, und werden ungeachtet der bisher angewandten Immunsuppressiva nach wie vor beobachtet. In diesem Zusammenhang zeichnete sich ab, dass vor allem eine bestimmte Gruppe immunsuppressiver Medikamente, die sogenannten Costimulationshemmer, mit einer erhöhten Rate an Organabstoßungen in Verbindung stehen. Costimulationshemmer wurden ursprünglich entwickelt, um Spendernieren nach einer Nierentransplantation zu schonen, da sie im Gegensatz zu anderen Immunsuppressiva das Nierengewebe nicht belasten.
Um den Einsatz dieser wichtigen Medikamentengruppe weiterhin zu ermöglichen, wollten Thomas Wekerle, Professor für Transplantationsimmunologie an der MedUni Wien und sein Team aufdecken, was die Gründe für die erhöhten Abstoßungsraten unter Costimulationshemmung sind und, wie man sie künftig verringern könnte. In Zusammenarbeit mit dem Pathologen Professor Heinz Regele und der Doktorin Sophia Derdak aus dem Bereich Core Facilities konnte er nun einen wesentlichen Aspekt der Abstoßungsreaktionen entschlüsseln und zugleich eine mögliche Lösung für das Problem entwickeln.
Ergebnisse der Studie
Im Rahmen ihrer Recherchen konnten die Studienautoren bei der Beobachtung an organtransplantierten Mäusen nachweisen, dass die T-Zell-Unterdrückung und die Einnahme von Costimulations-Blockern im Empfängerkörper grundsätzlich den gewünschten Effekt erzielen. Sie stellen ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Gruppen der T-Zellen her, das die Organ-akzeptierenden Zellen fördert und die abwehrenden Zellen unterdrückt, was Abstoßungsreaktionen verhindern sollte.
Allerdings zeigte sich, dass dieser Effekt im Spenderorgan nicht eintritt. Außerdem konnten die Forscher beobachten, dass zeitgleich mit der Unterdrückung der T-Zellen die Interleukine, vor allem das Interleukin-6, massiv im Blut des Organempfängers anfluten. Somit sind bei einer Kombination von anfänglicher T-Zell-Unterdrückung und anschließender Costimulationshemmung die Spenderorgane nicht wirkungsvoll geschützt und darüber hinaus einer gesteigerten Entzündungsaktivität im Empfängerkörper ausgesetzt, was die Abstoßung sogar begünstigt. Ergänzten die Forscher die Behandlung nach Transplantation um ein Medikament zur Unterdrückung von Interleukin-6, so wurden die Organe deutlich besser toleriert und die Abstoßungsreaktionen unterdrückt.
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Konsequenzen für die Prävention von Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantation
Entsprechend der Studiendaten könnte der Einsatz von Interleukin-6-Hemmern bei transplantierten Personen die Akzeptanz des Spenderorgans deutlich verbessern und die gefährliche Transplantatreaktion unterbinden. Diese Schlussfolgerung könnte sehr bald zu einer Änderung der therapeutischen Strategien führen, denn Interleukin-6-Hemmer sind bereits seit Jahren etablierte Medikamente unter anderem in der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen.
Passende Jobs
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- Muckenhuber, M. e. (3. Juni 2024). IL-6 inhibition prevents costimulation blockade-resistant allograft rejection in T cell-depleted recipients by promoting intragraft immune regulation in mice. In: Nature communications.
- Neue Erkenntnisse zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen, https://www.meduniwien.ac.at/... (Abrufdatum: 12.07.2024)
- Organtransplantationen: Neue Erkenntnisse zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen, https://www.gesund.at/... (Abrufdatum: 12.07.2024)
- Zwan, M. v. (2020). Costimulation Blockade in Kidney Transplant Recipients. In: Drugs, 80(1), S. 33-46.